Dienstag, 15. Juni 2021

Der sensible Charakter - oder auch: Wie es ist so intensiv zu lieben - ein freier Gedankengang

             

              

                                            


Manchmal hat man im Leben viele Erkenntnisse. Oder auch Erleuchtungen, während man neue Seiten an sich entdeckt oder diese erst spät deutlich erkennt. 

Man ändert sich. Tag für Tag. Woche für Woche. Monat für Monat. Jahr für Jahr.

Hinzu kommen Erfahrungen und äußere Einflüsse, die einen formen und vielleicht sogar verformen.

Man legt alte Charakterzüge ab und legt sich neue an. Oder sie werden einfach intensiver.

Ich zu meinem Teil bin nun in einer Phase, in der ich beobachte, wie ich mich verändere. Viele Erfahrungen, Enttäuschungen, Freuden oder auch Schmerzen haben mich nun zu dem Menschen gemacht, der ich heute bin. Es wäre gelogen, wenn ich sagen würde, dass ich nie sensibel war. Ich war es von Anfang an. Es hat sich mit den Jahren einfach gesteigert und somit lebe ich mit Bauchgefühlen und lass mich auch überwiegend von diesen steuern. Aber manchmal ist es nicht so einfach, alles so intensiv zu fühlen, es ist eher energieraubend. Vor allem wenn man so feine Antennen hat und die Auren von Menschen quasi sehen kann. Ich fühle und leide immer mit. Lege mich auf die Lauer, lange bevor die Gefühlsexplosionen aus einem herausbrechen. Ich lass einfach zu viel an mich heran.




Dennoch hat es auch gute Seiten. Ich erfreue mich an so vielem. Für andere erscheint einiges einfach banal. Für mich wiederum ist es intensivstes Erleben, welches mich himmelhochjauchzend und euphorisch werden lässt. Sei es der Regen, der aus den Wolken herausbricht. Wie die Regentropfen aufs Fensterbrett oder gegen's Fenster trommeln. Oder auf die Blätter der Bäume prasselt. Dabei find ich es immer wieder schön zu sehen, wie Regentropfen die Blätter entlangrinnen und an der Spitze des Blattes heruntertropfen. Oder wenn die Regentropfen die Fenster herunterrinnen, wie Tränen. Das sind nur kleine Beispiele. Ich erkenne daran einfach nur die Schönheit, die einem im Leben so geboten wird.


So geht es mir auch, wenn ich jemanden liebe. Ich liebe nicht einfach nur. Ich sauge auf und häng meine ganze Energie rein. Wenn ich liebe dann mit Haut und Haaren. Dies kann glücklich machen oder auch Schmerzen bereiten. Ich behaupte jetzt einfach mal: Wer von mir geliebt wird, der braucht keinen Lottogewinn mehr. Dennoch kann es schwierig und anstrengend sein von mir geliebt zu werden. Denn ich hinterfrage immer alles und analysiere alles. Ich bin, manchmal zu meinem Leid, ein extremer Kopfmensch und ich lege in Gedanken alles haarklein auseinander, sowie wie ein KFZ-Mechatroniker ein Auto bis aufs kleinste Detail auseinander legen würde. Hinzu kommt, dass ich diejenige Person mit Euphorie überschütten möchte. Ich bremse mich dann automatisch, da ich oft das Gefühl kriege, dass es zu viel sein könnte. Denn damit kommt nicht jeder klar. Meist hab ich da schlechte Erfahrungen mit gemacht. Wurde zurückgestoßen, es wurde sich über meine Art von "Romantik" lustig gemacht. Sodass es  mich dann hemmt, das zu zeigen, wie es in mir aussieht. Das lässt einen kleiner werden. Und vor allem verliert man da sehr viel Selbstwertgefühl. Ich will der Person, die ich liebe, am liebsten alles mitteilen. Was ich fühle. Wie es mir gerade geht. Was ich gerade mache. Er soll einfach an meinem Leben teilnehmen können. Er soll einfach alles wissen. Vieles was mir durch den Kopf geht, sprech ich schon gar nicht mehr aus. Daran sind die angelernten Hemmungen und Ängste schuld. Und wenn mich jemand so mag, wie ich bin, muss ich auch erstmal lernen, dass ich ja doch etwas wert bin. ich kann dann oft nicht fassen, dass ich wirklich gemocht werde. So wie ich bin. Mit allen Ecken und Kanten. Das lässt mich immer in erster Linie zweifeln. Denn daran sind, auch hier wieder, die Erfahrungen und Ängste schuld. Aber dafür kann ich nichts. Ich wurde so geformt.

                                                   

Es ist für mich auch oft erstaunlich, woher all diese intensiven Gefühle und Emotionen überhaupt kommen. Wie es sein kann, dass ich so viel Liebe in mir trage. So viel, dass ich oft nicht weiß wohin damit. Irgendwann muss ich doch platzen. Dieses Erstaunen kommt einfach nur daher, wie viel Leid und Enttäuschungen ich schon erfahren musste. Mir wurde so vieles genommen. 

Jedoch, mein Prinzip ist eigentlich nur: Ich liebe denjenigen so und geb ihm so viel Wärme und Leidenschaft, wie ich es auch gerne bekommen würde.

Wir wollen doch alle irgendwie, dass wir aufgefangen werden, starke Schultern zum anlehnen haben und starke Arme, die sich wie eine warme, schützende Decke um einen legen. Jemand der sich für einen wirklich wirklich interessiert und an seinem Leben wirklich teilhaben will. Jemand, der einem seine ganze Wärme, Geborgenheit  und Sicherheit geben möchte. Jemand, der all die Launen und Euphorien mit Leidenschaft erträgt und aushält. Oder?